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September 2010: Sarazin und die Vererbung von Intelligenz

Bezug: MAZ-Artikel „Ich höre, er schreibt japanische Gedichte“ von Henry Lohmar, 16. 09. d. J. S.4

„Im Auslegen seid froh und munter! Legt ihr´s nicht aus, so legt was unter.“ So dichtete der Jurist Goethe im Faust an die Adresse seiner Zunft. Rechtsanwalt Altbundeskanzler Gerhard Schröder scheint diese Aufforderung in der Auseinandersetzung mit Thilo Sarrazin befolgen zu wollen. Er suggeriert, daß der scheidende Bundesbanker in seinem umstrittenen Buch geschrieben habe, eine Gesellschaft könne ohne Bildung auskommen, da ja alles eh vererbbar sei. Solche Meinung hat der ehemalige Berliner Finanzsenator aber nicht in seinem Buch vertreten. Zwar bestehe, so schreibt Sarrazin, unter seriösen Wissenschaftlern heute kein Zweifel mehr, daß die menschliche Intelligenz zu 50 – 80% erblich ist (S. 93). Aber ob nun der eine einen IQ – Wert von 85 und der andere einen von 123 hat, lernen und sich bilden müssen beide.

Wichtig ist, daß sowohl der Begabte als auch der weniger Begabte verstehende Zuwendung und konsequente pädagogische Führung erfahren müssen. Daran mangelt es in der heutigen Erziehungslandschaft aber häufig. „Allzu oft kombinieren sich niedrige Anforderungen und ein Laissez–fair der Eltern und Lehrer mit herzlicher Gleichgültigkeit gegenüber Kindern und Schülern“, beklagt der prominente Verfasser (S. 202).

Günstig für eine Wissensgesellschaft ist natürlich, wenn möglichst viele Kinder mit einem hohen IQ geboren werden. Dies wird erreicht, indem vor allem intelligente Eltern Kinder bekommen. In der ehemaligen DDR wurde dies durch eine erfolgreiche qualitative Bevölkerungspolitik durchgesetzt. “Während in den alten Bundesländern die Kinderlosigkeit der Frauen mit Fachschul- oder Hochschulabschluß doppelt so hoch war wie bei an- und ungelernten Frauen, war sie in der DDR bei den gebildeten Frauen unterdurchschnittlich. Die Studentinnen bekamen ihre Kinder früh, und bis auf eine kleine Minderheit bekamen fast alle welche“ (S. 99). ( Vgl. auch Volkmar Weiss, „Die IQ – Falle“, Graz: 2000, S. 212 – 215 bzw. www.v-weiss.de/iq-falle-ddr.html).

Obwohl Sarrazin weit davon entfernt ist, das sozialistische System der DDR hochzujubeln, kann er der DDR–Bevölkerungspolitik doch so manches Gute abgewinnen – Grund genug für uns Ostdeutsche, die wir nach 20 Jahren Wiedervereinigung nun beide Seiten kennen, uns mit dem Autor unvoreingenommener als Altbundeskanzler Gerhard Schröder zu beschäftigen.

Wie vielleicht schon vorher zu erwarten war, fand sich für diesen Leserbrief kein Platz in der Zeitung.